Goldener Oktober

In dieser Saison hatte im Norden, insbesondere an Nord- und Ostsee, das Wetter sehr enttäuscht:
zu kalt, zu nass und zu windig. Die Wetterstatistiker haben mittlerweile unsere subjektiven Empfindungen bestätigt. Dass der Sommer im Süden wesentlich dazu beigetragen hat, die deutsche Gesamtwetterstatistik zu retten, hat uns wenig Trost gegeben. Einzelne Segler drohen schon: "noch so eine schlechte Saison und das Boot wird verkauft!"
Anfang Oktober fegt das Sturmtief "Xavier" über die Küste und richtet auch in unserem Hafen einiges an Schäden an. Auch unser Boot wird im Winter repariert werden müssen, es gibt Schäden am Rumpf.

Wider Erwarten gibt es Anfang Oktober eine Vorhersage, die für etwa eine Woche eine Art Spätsommer prognostiziert. Zum Glück können wir spontan  zum Boot fahren. Als wir in Wismar ankommen, regnet es in Strömen. Der Regen ist aber schon viel wärmer und macht uns Hoffnung auf die nächsten Tage.
Die Windvorhersage für die nächsten Tage ist zwar uneinheitlich, trotzdem legen wir am nächsten Morgen  noch vor 09:00 Uhr ab. Noch im Hafen von Wismar gehen die Segel hoch und bei 2-3 Windstärken bummeln wir hinaus in die Bucht.
 Noch haben wir uns nicht für ein Ziel entschieden. Aktuell ist der Wind gut für einen Schlag nach Grömitz. Außer uns sind nur wenige Freizeitskipper auf dem Wasser. Die Temperaturen sind angenehm, wenn auch nicht sommerlich auf dem Wasser. Es ist schönes Segeln, kaum Welle und der Wind ist gleichmäßig. Gelassen nähern wir uns der Insel Poel. Nun fällt der Wind mehr und mehr nördlicher ein und wir nehmen die Segel dichter, klar und etwas schneller werden wir nun auch. Sehr schön, aber nach Grömitz können wir so keinen direkten Kurs anlegen. Zum Kreuzen habe ich keine Lust, schließlich habe ich es mir gerade so schön bequem gemacht.
Ich liebe diesen Sport!
Nach kurzer Abstimmung entscheiden wir uns für Kühlungsborn als heutiges Ziel. Dazu programmiere ich den Autopiloten und genieße wieder die Sonne. Mit uns ist nur eine Segelyacht auf dem Wasser zu sehen, die hält offenbar den gleichen Kurs wie wir. Es wird trotzdem keine Regatta, der andere Skipper ist genauso faul wie ich.
Mit nun raumen Wind wird es sogar recht warm an Bord. Wir fahren dicht unter Land und können sehr schön die Strände, die Halbinsel Wustrow, Rerik und schon von weitem das nahende Kühlungsborn beobachten. Viel Betrieb ist so spät im Jahr nirgendwo mehr, und auch in der Marina in Kühlungsborn gilt: "freie Platzwahl". Das kennen wir aus der Hauptsaison ganz anders.
Das Anlegemanöver klappt seit langem mal wieder nicht so gut. Der Wind frischt auf und kommt von Backbord, just als wir uns überlegt haben, genau mit dieser Seite anzulegen. Wir nehmen einen neuen Anlauf und suchen einen Platz, wo wir mit Steuerbord anlegen können. Ein freundlicher Mensch hilft uns und wir können das Boot gut festmachen. Ich nutze die Gelegenheit und fülle noch mal ein paar Liter in unseren Wassertank, mache das Boot sauber und räume auf, während Ingrid uns einen Kaffee macht. Urlaubsfeeling kommt auf.
Der nächste Morgen. Der Wetterbericht sagt für ganz Deutschland schönstes Spätsommerwetter voraus. Für ganz Deutschland? Nein, nicht für die Küste von Mecklenburg-Vorpommern, es regnet tatsächlich leicht und ist windstill. Für den Nachmittag ist Besserung angesagt. Wir bleiben in Kühlungsborn und gehen bummeln und kaufen ein paar Lebensmittel ein.
Wir essen an Bord und ich nutze die Gelegenheit zu lesen:
Das Ende einer Abenteurerlaufbahn. Das Buch liest sich etwas traurig, da deutlich wird, dass das Ehepaar Erdmann wohl seinen letzten größeren Segeltörn erlebt hat. Es paßt zur Herbststimmung im fast leeren Hafen.
Ein weiteres Segelboot hat noch angelegt, erstaunlicherweise sind es unsere Stegnachbarn aus Wismar mit ihrer Elvström ANA.
Der Regen hört auf, der Wind hört auf und der Nebel kommt.
Sonnenaufgang fällt am nächsten Morgen aus, es liegt dichter Nebel über Kühlungsborn. Laut Wetterbericht soll es aber in Richtung Westen aufklaren. Wie unsere Nachbarn auch entschließen wir uns trotzdem auszulaufen. Segel setzen lohnt nicht, es gibt keinen Wind und so brummen wir mit 5 Knoten in Richtung Westen.
Manchmal reißt der Nebel auf und wir können ein paar hundert Meter weit sehen. Da es windstill ist und es nahezu keine Welle gibt, sind sehr viele Angler mit ihren Booten auf dem Wasser. Wir müssen sehr aufpassen, da diese kleinen Boote natürlich kein AIS haben und auch auf dem Radar nicht zu sehen sind. Mit 3-4 Knoten schlängeln wir uns durch. Immer noch läuft der Motor.
Erst als wir Wustrow passiert haben und uns langsam Timmendorf auf Poel nähern, kommt nach und nach die Sonne heraus. Auch Wind ist messbar, allerdings noch zu wenig um unsere dicke RASMA voranzubringen.
Als Timmendorf querab liegt,
ist wieder der Sommer da.  Die restlichen Stunden können wir dann doch noch sehr gemütlich segeln. Wir segeln zurück nach Wismar.
Unser letzter Törn in diesem Jahr war gut um sich mit dieser schlechten Saison ein wenig zu versöhnen.
Am Folgetag nehmen wir die Segel ab und wintern den Motor und die Tanks usw. ein. Die Ostseewerft nimmt unser Boot in diesem Jahr in die Halle.
Im Hafen wird sogar noch etwas geboten. Ein Zirkus lässt auf dem Gelände seine Elefanten frei grasen und diese kürzen alle Büsche und Bäume auf  Bonsaigröße.
Wir verabschieden uns von unserer RASMA und fahren heim.

Zwei Tage später kommt Sturmtief "Herwart"!
Über Facebook werden wir über den Kampf im Hafen gegen den Sturm auf dem Laufenden gehalten. Handyfilme, SMS und Mails gehen hin und her.
Unser Steg bricht und die Boote müssen in Sicherheit gebracht werden. Soweit wir wissen, hat unser Boot keine erkennbaren Schäden davongetragen.
Wir hoffen es.


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